Zur (möglichen) Geschichte des Hauses

Verschiedene Indizien deuten darauf hin, dass das „Tüs“ früher ein sog. Ackerbürgerhaus gewesen sein könnte.

 

Als Ackerbüger oder Stadtbauern bezeichnete man früher Bürger einer Stadt, die innerhalb der städtischen Feldmark hauptberuflich der Landwirtschaft nachgingen. Solche Ackerbürger hat es offenbar auch in Xanten gegeben. In einer Urkunde von 1289 wird z. B. eine zwischen Häusern in der Xantener Marsstraße gelegene terra arabilis (Ackerland) genannt.1 Zu einem Ackerbürgerhaus gehörte oftmals eine eigene Wasserversorgung, ein Hof mit Ausfahrt, eine Scheune und ein Stall.2

 

Tatsächlich wurden bei Umbauarbeiten in den 1970er Jahren unter dem heutigen Kaminzimmer Reste eines alten Brunnens gefunden. Und auf einen Stall deutet ein niedriger (heute unter Putz verborgener) Torbogen zwischen Wohnzimmer und Küche hin, durch den allenfalls Schweine hindurch passten. Vielleicht wurden die Tiere ja von jenem Hirten gehütet, der im benachbarten Schweineturm an der Stadtmauer des Südwalls wohnte? Möglich wäre es.

Und mit dem Hof und der heutigen Garage verfügte das Anwesen auch über die nötige Größe, um das damalige landwirtschaftliche Gerät unterzubringen.

 

Historischer Kupferstich mit Blick auf Scharntor und Dom

Zudem deuten alte Bilder darauf hin, dass städtisches Treiben und Landleben an dieser Stadtgrenze verschmolzen: Auf einem Kupferstich von Paulus van Liender von 1746 treibt ein Hirte – von der Orkstraße kommend – seine Kühe stadtauswärts durch das 1825 abgerissene Scharntor aus der Stadt hinaus. Noch 1907, so zeigt es eine alte Postkarte, weideten im heutigen Kurpark am Ostwall Kühe und Pferde.3

 

Und auch das jahrhundertealte Tonnengewölbe im Keller und die dicken Wände des Hauses erzählen eine deutlich ältere Geschichte als die Backsteinfassade, die das Haus wohl erst in den 1920ern erhalten hat.

 

Mit der Umwidmung zum Feriendomizil fügen wir der Geschichte des Hauses nun ein neues Kapitel hinzu.

 

Übrigens: Die „Orkstraße“, in der unser Ferienhaus liegt, hat nichts mit den Orks aus Fantasy-Romanen zu tun. Möglicherweise ist die Bezeichnung auf den lateinischen „Arcus“ zurückzuführen, was Bogen oder Krümmung bedeutet. Offiziell gehörte die Orkstraße früher zur Scharnstraße. Diese begann ursprünglich beim Scharntor, das bis 1825 die Stadtmauer vor unserem Haus verstärkte, und erstreckte sich bis zum Marktplatz. Der gekrümmte Abschnitt an der Schnittstelle der heutigen Orkstraße zur Scharnstraße, der möglicherweise den damaligen Rheinverlauf nachzeichnet, wurde auf Plattdeutsch damals „op den Ork“, „op den Örk“ oder „op den Urken“ genannt. Mit der Zeit entwickelte sich daraus: „Orkstraße“.4


1 Vgl. Klaus Flink, Die Mär vom Ackerbürger – Feld- und Waldwirtschaft im spätmittelalterlichen Alltag rheinischer Städte, Universitätsreden der Universität des Saarlandes, Band Nr. 43 vom 18.12.1997, S. 17 f..

2 Klaus Flink, s. Fn. 1.

3 Quelle: Xanten als Postkarte, Katalog zur Ausstellung des Regionalmuseums Xanten, 1978, S. 3 und 19.

4 Die Thesen zur Entwicklung der Straßenbezeichnung basieren auf Auszügen von Heinrich Engelskirchen, Xantener Straßen- und Flurbezeichnungen im Stadtbereich und in der näheren Umgebung, in: BASQUÉ (1936).